Kirchenronovierung als gemeinsame Unternehmung des Architekten und der Gemeinde

Von Dr. Dieter Langmaack

Wenn ich gebeten werde, einem Bauprojekt wie der Renovierung der St. Johanniskirche in Lüchow als Architekt zu dienen, dann gehe ich die Aufgabe gewöhnlich in vier Schritten an.

Zunächst übernehme ich die Rolle des Kirchenbauinspektors. Ich suche dann nach Rissen in den Mauern, Verfleckungen an den Wänden und Decken und nach Problemen, die sich aus einer schlechten Isolierung ergeben. Ich habe auch ein offenes Ohr für Probleme, die es mit der Heizanlage gibt und ich nehme allgemeine Mängel am Gebäude und seiner  Struktur zur Kenntnis.

Meine nächste Aufgabe als Kirchenarchitekt besteht darin, die Funktion des Kunsthistorikers zu übernehmen. Als solcher nehme ich zur Kenntnis, welche Perioden der Kunstgeschichte in den verschiedenen Teilen des Kirchengebäudes repräsentiert sind und wie die Ausstattungsgegenstände des Innenraums wie der Altar, der Taufstein, die Kanzel und andere Bestandteile der Ausstattung zusammenpassen. Ich beobachte auch, wie die verschiedenen Elemente verschiedene Zeitperioden und Baustile wiederspiegeln, z. B. ob unverzierte Panelen an der Kanzel eine puritanische Abneigung gegen künstlerische Verzierung zur Darstellung bringen.

Als Architekt tue ich dann den nächsten Schritt; dabei diene ich auch als Kirchenbauer: Der versetzt sich dann in die Rolle von Pastoren in ihrer liturgischen Funktion, also in die Rolle von den Menschen, die predigen und die  im Gottesdienst noch andere Verantwortlichkeiten wahrnehmen; auch versetze ich mich in die Rolle von Teilnehmern der versammelten Gemeinde. Ich prüfe, ob ersichtlich ist, dass ein vorgegebener Bereich sich als Ort für verschiedene Aktivitäten eignet oder ob es dort logistische Schwierigkeiten gibt: So befindet sich in der Kirche zu Lüchow der Altar in einer Entfernung von 35 Metern von den hintersten Kirchenbänken – ein offensichtliches Hindernis.

Der Architekt eines solchen Bauprojekts unternimmt dann einen vierten Schritt: Er übernimmt die Aufgabe eines Visionärs. Ich versuche mir vorzustellen, wie der für eine solche  Renovierung zur Verfügung stehende Raum am besten ausgenutzt werden könnte und wie sowohl das Innere und das Äußere des Kirchengebäudes nach einer wesentlichen Veränderung aussehen würde.

Hier bin ich natürlich auf Zeichnungen und Modelle angewiesen, aber ich muss mich auch auf eine Art angeborene Intuition verlassen, bevor die einzelnen Pläne und Skizzen zur Ausführung kommen.

Natürlich arbeitet der Architekt nicht nur in seinem Büro mit verschiedenen Kollegen zusammen, um sich verschiedenen Herausforderungen zu stellen; er muss auch mit allen Leuten zusammenarbeiten, die an dem Kirchenrenovierungsprojekt beteiligt sind. Insbesondere muss er eng mit den  Pastoren zusammenarbeiten, mit anderen Mitgliedern des Gottesdienstausschusses, mit Mitgliedern der Gemeinde und mit ihrem Kirchenrat und mit dem  beratenden Gremium der Gemeinde und auch mit den in der Verwaltung tätigen Amtsträgern der regionalen Kirchenkommission für Bauangelegenheiten und für die Erhaltung von Kunstwerken, die bei Finanzangelegenheiten das letzte Wort haben, und schließlich auch mit örtlichen Behörden wie der Baubehörde und dem Ausschuss für die Erhaltung historischer Objekte.

Im  Rahmen dieser Zusammenarbeit werden verschiedene Vorschläge zum Vorschein kommen und geprüft werden. Man wird Alternativen vergleichen, so dass die Zukunftsvision des Architekten und die schlussendlichen Wünsche der Gemeindemitglieder hinsichtlich „ihrer Kirche“ zur Übereinstimmung gelangen werden. So ging es vor meiner Ernennung bei den Planungen zur Renovierung der St. Johanneskirche in Lüchow zu. Früh im Jahre 1990  wurden  bei einem Treffen zwischen dem Kirchenrat und dem Mitarbeiterstab des Pastors Richtlinien für die Arbeit des Architekten vorgeschlagen.

Die folgenden Ergebnisse dieses langwierigen Planungsprozesses werden hier dargelegt:

Die bedeutendste und wichtigste Veränderung des Grundrisses der Kirche wird entsprechend einem Vorschlag ein neues Zentrum der Gottesverehrung sein, zugleich im „optischen  Zentrum“ der Kirche gelegen. Es befindet sich dann nicht mehr am Ende des 19 Meter tiefen Chores. In der Nähe des bisherigen Standortes der Kanzel wird es einen neuen Altar oder „Tisch des Herren“ geben als Ort für die Feier des Heiligen Abendmahls.

Ein künstlerisch ausgestaltetes Chorpult muss so kreiert werden, dass es an der Seite der erhöhten Kanzel stehen und mit ihr harmonieren kann. Der Taufstein – direkt vor dem neuen Altar in Richtung der versammelten Gemeinde  positioniert- soll jetzt  den zentralen (Blick)punkt in der Mitte des Hauptschiffes darbieten. Hier wird ein Osterkreuz in der Pflasterung verankert werden, ein Kreuz das nicht so sehr das Leiden Christi am Karfreitag und den Tod unseres Herrn betont sondern eher die Osterfreude und den österlichen Sieg Christi über den Tod und den Teufel.

Das in Vorschlag gebrachte Kreuz soll ein schlichtes Kreuz ohne Corpus Christi sein (also: ohne körperliche  Darstellung Christi); sieben Kerzenleuchter sollen es kreisförmig umgeben, um so die Ewigkeit zu symbolisieren. Ein erster Entwurf dieser sehr wichtigen Stücke soll bis zum Jahresende fertiggestellt sein, und zu diesem Zeitpunkt kann dann ein Modell gezeigt werden.

Ein integrierter Bestandteil des vorgeschlagenen Zentrums des Gottesdienstes  wird der neue Standort des Taufsteins sein: Er steht dann zwischen Altar und Gemeinde und wird so sehr gut sichtbar sein.

Ein neuer eher bescheidener Türeingang soll in die Nordwand eingebaut werden, um so einen neuen Zugang zur Kirche zu schaffen. Diese Tür dient dann als neuer Eingang  und verschafft so den Gläubigen einen Zugang zu einem schönen Hof gerade außerhalb der Kirche befindlich: Wahrhaftig ein Stück „Paradies“, ähnlich jenen („Paradiesen“), die man oft bei  vielen alten romanischen Kirchengebäuden findet. Innen gleich hinter dem Eingang wird das bronzene Taufbecken aus dem Jahre 1417 die Besucher mit einer klaren Botschaft in der Kirche willkommen heißen: „Baptistatus sum“ (Ich bin getauft)

An der Südwand der Kirche gegenüber dem Eingang soll es einen kleinen, einladenden Meditationsort geben, wo man vielleicht am Tage Andachtskerzen entzünden kann. Hier hätte ein Mensch die Gelegenheit, sitzend ruhig im Gebet und in der Meditation zu verharren; er hätte die Gelegenheit, hier zu lesen – abseits des Lärms der Stadt in einer friedlichen Atmosphäre kirchlicher Ruhe.

Sowohl der vom Eingang in die Kirche führende Weg als auch der Meditationsbereich sollen sich unter einer Galerie mit Wendeltreppe befinden, die zum Mittelschiff hinführt und auch zur bestehenden Galerie an der Südwand, die der Galerie ähnelt, die laut Vorschlag an die Nordwand  des Mittelschiffs angebaut werden soll. Es besteht durchaus die Möglichkeit, unterhalb dieser beiden Galerien dringend benötigte Räume einzubauen. Vielleicht kann dort eine kleine Küche eingebaut werden oder eine Toilette, zu der Rollstuhlfahrer Zugang haben, und eine Garderobe. Es ist angedacht, unterhalb der neuen Nordgalerie einen großen Lagerraum einzubauen, eine  Sakristei oder einem Raum für den Küster, so dass man in Zukunft Gerätschaften nicht mehr unter der Platte unterhalb des Altars lagern muss.

Schließlich müssen auch noch technische Ausrüstungsgegenstände ersetzt werden. Der Heizkessel muss auf den neuesten technischen Stand gebracht und sein Fassungsvermögen und seine Mechanik an die Bedürfnisse der versammelten Gemeinde angepasst werden.

Es sollte auch etwas  für die Verbesserung der Akustik getan werden, damit nicht langtönendes Widerhallen Probleme verursacht. Auch  bedarf es neuer Apparaturen, um den Gottesdienst ins nahe gelegene Pflegeheim zu übertragen und um den Schwerhörigen eine Verstärkung (der Akustik) zur Verfügung zu stellen.

Zu alledem muss auch noch der Fußboden aus Natursteinen repariert werden. Es ist vorgesehen, im Bereich des Altars und des Taufsteins sowie in dem Bereich, der zum Altar führt, neues Bodenmaterial  mit vielen Farbtönen auszulegen .

Die Kirche soll eine neue Farbzusammenstellung bekommen: Dabei wird das derzeit sichtbare unakzentuierte Grau des Tonnengewölbes überstrichen, so dass die neue Farbzusammenstellung einer ehemals bestehenden entspricht; diese erlaubte eine eindeutigere farbliche Abgrenzung der bogenförmigen  Bauelemente. Das  Naturholz der Decke über den Seitenschiffen wird sichtbar werden; die Sicht unter den existierenden großen Galerien wird dadurch besser.

Man wird auch Versuche unternehmen, das Grau der Galerien mit einem natürlichen Holzton zu überstreichen.

Schließlich muss noch eine schwierige Entscheidung gefällt werden: Soll man anstatt der Kirchstuhlreihen, die die Farbzusammenstellung so maßgeblich beeinflussen, einzelne Stühle aufstellen. Stühle würden sich bei unterschiedlichen Formen des Gottesdienstes flexibler einsetzen lassen. Sie böten auch Gelegenheit, an einem Tisch oder im Kreis zu sitzen.

Die Beleuchtung muss auch modernisiert werden, so dass die Bereiche an den Seiten des Kirchenraums neuen Nutzungen zugeführt und besser genutzt werden können; etwa- ein Vorschlag- für Ausstellungsgegenstände und für andere Funktionen.

Sicherlich muss noch viel untersucht und diskutiert werden, bevor die Bauarbeiten beginnen können.

Für mich als Architekt und für meine Bauherrn, die versammelte Gemeinde von St. Johannis zu Lüchow, sollte dieser Prozess noch fortgesetzt werden, und zwar als intensive und fruchtbare Zusammenarbeit. Das  Ergebnis sollte ein erneuertes Gotteshaus sein – zum Wohle der Gemeinde und zum Ruhme Gottes: Gott helfe uns bei der Erreichung dieses Ziels!

Floor plan for the proposed renovation of St. John's Church
Floor plan for the proposed renovation of St. John's Church